Christliche Kunst in Bulgarien 

Assen Tschilingirov

 

Vorwort

 

Die Berührung mit der mittelalterlichen Kunst Südosteuropas, in jüngster Zeit durch den Fremdenverkehr und zahlreiche Ausstellungen begünstigt, erweckt bei den Kunstliebhabern zunehmend ein Interesse, dem die geringe Zahl vorhandener Publikationen nur in begrenztem Maße gerecht werden kann. Das veranlaßte mich, den ehrenvollen Auftrag des Leiters des Union Verlages, H. Faensen, anzunehmen, einen Überblick der Geschichte der mittelalterlichen christlichen Kunst in Bulgarien zu schreiben, trotz der erheblichen Schwierigkeiten, die mit der Verwirklichung eines solchen Projekts verbunden waren. Dieses Buch sollte in ähnlicher Weise angelegt und gestaltet werden wie die Bände der von H. Faensen und K. Onasch herausgegebenen Reihe über die altrussische Kunst.

 

Obgleich also Rahmen und Form von den bereits erschienenen Werken über die russische Ikonenmalerei und Baukunst gegeben waren, stellte sich hier die Aufgabe, alle Kunstgattungen - neben der Architektur und der Ikonenmalerei auch die Plastik, die Wandmalerei und das Kunsthandwerk - zu berücksichtigen. So zeichnete sich vom Umfang des Materials her und in Anbetracht der sich über anderthalb Jahrtausende erstreckenden Entstehungszeit der einzelnen Kunstdenkmäler eine ganz andere Aufgabenstellung ab als bei den inzwischen sowohl für die Fachwelt als auch für einen großen Leserkreis unentbehrlich gewordenen Vorbildern. Dies führte zu einem in vielen Punkten abweichenden Aufbau und zum Verzicht auf Vollständigkeit bei den behandelten Kunstwerken sowie bei der angegebenen Literatur zugunsten einer allgemeinen kunstgeschichtlichen Darstellung unter Hervorhebung des kulturhistorischen Hintergrundes. Zugleich sollten jedoch auch hier Text und Bild den Anforderungen sowohl von Seiten eines weiten Leserkreises wie von Seiten der Wissenschaft entsprechen. Aus diesem Grund wurde eine noch deutlichere Trennung zwischen dem hauptsächlich für interessierte Leser gedachten kunstgeschichtlichen Überblick und dem vor allem für Kunstwissenschaftler bestimmten Apparat vorgenommen.

 

Daher erscheint das Buch in zwei verschiedenen Ausgaben - eine mit umfangreichem Katalogteil, Textanmerkungen und Literaturhinweisen, die für den relativ kleinen Kreis von Spezialisten bestimmt ist, und eine verkürzte - die vorliegende -, die den vollständigen Haupttext und den kompletten Tafelteil enthält, jedoch vom wissenschaftlichen Apparat entlastet ist; die angegebene Literatur ist auf die wichtigsten Publikationen beschränkt, die auch für weitere Kreise von Nutzen sein könnte. Trotz des notwendigerweise begrenzten Umfangs des Buches werden alle bedeutenden Werke der bulgarischen mittelalterlichen Kunst, darunter mehrere, die sich heute außerhalb des Landes befinden, abgebildet und behandelt. Darüber hinaus wird auch auf importierte Kunstwerke eingegangen, die mit der bulgarischen Kunst eng verknüpft sind und für deren Entfaltung eine bestimmte Rolle gespielt haben, selbst wenn ihre Herkunft heute kaum mehr zu ermitteln ist.

 

Daß dieses Buch in einer relativ kurzen Frist fertiggestellt werden konnte, verdanke ich der großzügigen Unterstützung des Union Verlages, die mir erlaubte, mich in den letzten zwei Jahren ausschließlich der Arbeit für das Buch zu widmen und mehrere Forschungsreisen zu unternehmen. Nicht weniger verpflichtet bin ich meinen zahlreichen Freunden und Kollegen vom Bulgarischen Nationalinstitut für Denkmalpflege, vom Archäologischen Institut in Sofia und vom Museumswesen, an erster Stelle dem heutigen stellvertretenden Vorsitzenden des Komitees für Kultur und Kunst, P. Berbenliev. Sie ermöglichten mir den Zugang zu noch nicht erschlossenen Denkmälern und die Benutzung von Materialien aus den Beständen der Museen. Mit ihrer uneigennützigen Hilfe standen sie mir die ganze Zeit bei und erleichterten die Klärung mehrerer Probleme von Provenienz, Stil und Technik der Kunstwerke. Unter den vielen seien die Namen der Restauratoren und Architekten B. Ilieva, L. Kojnova, L. Krasowska, N. Muschanov, B. Kusupov, T. Theophilov, D. Peschev und B. Kolarski besonders hervorgehoben, die mir außerdem Aufzeichnungen ihrer Forschungsergebnisse zur Verfügung stellten. Den Museumsdirektoren und Kustoden in Sofia, Varna und Veliko Tirnovo, V. Pandurski, K. Paskaleva, D. I. Dimitrov und S. Zonev, bin ich für Fotogenehmigungen sowie für die Einsicht in ihre noch nicht veröffentlichten oder im Druck befindlichen Arbeiten ebenso verpflichtet.

 

Der enge Kontakt mit den von mir sehr geschätzten Fachkollegen V. Mavrodinova, A. Banck, V. H. Eibern, K. Onasch, S. Vaklinov, L. Mavrodinova, A. Dshurova, S. Bojadshiev, S. Dontschev und L. Praschkov sowie der ständige Austausch wissenschaftlicher Ergebnisse und die Diskussionen mit ihnen, auch wenn zuweilen unsere Meinungen auseinandergingen, haben entscheidend zur Bildung meines Standpunktes in den behandelten Fragen beigetragen - wie auch alle Forscher,

 

7

 

 

auf deren Publikationen und Pionierarbeiten unsere heutige Wissenschaft basiert.

 

Wertvolle Hinweise für Text und Gestaltung des Buches verdanke ich ferner K. Onasch, H. Faensen, H.-D. Döpmann, vor allem aber G. Walter und meinem Lektor G. Rostin, die mir auch viele mit der Abfassung des Textes in deutscher Sprache verbundene Schwierigkeiten überwinden halfen und zur Präzisierung der Aussage und Terminologie wesentlich beitrugen.

 

Von den bisher erschienenen Werken über die bulgarische Kunstgeschichte unterscheidet sich die vorliegende Arbeit hauptsächlich durch ihre zeitliche Eingrenzung und den behandelten Denkmalsbestand. Während sich die meisten älteren und jüngeren Publikationen mit der Kunstentwicklung Bulgariens seit der Gründung des Ersten Bulgarenreichs 681 befassen und diese Entwicklung entweder bis zur osmanischen Eroberung 1396 oder bis zur Neuzeit mit einer Betonung der Kunst der nationalen Wiedergeburt Bulgariens im 19. Jahrhundert verfolgen, wird hier eine andere, durch die Entwicklung der christlichen Kunst vorgezeichnete Zeitabgrenzung eingesetzt. So unternimmt das erste Kapitel einen Versuch, die Ursprünge der christlichen Kunst und deren Verhältnis zur Antike im Gebiet des zentralen Balkans - der Kunstlandschaft, in der später das Erste und das Zweite Bulgarenreich entstanden - zu untersuchen. Die Bindungen der mittelalterlichen Kunst Bulgariens an die des Christlichen Ostens - Syrien und Palästina, das Ursprungsland der christlichen Kunst und Symbolik - auf der einen und an das antike Erbe auf der anderen Seite bilden die wichtigsten Besonderheiten, die neben dem mittelasiatischen Ursprung der protobulgarischen Kunsttradition ihren Charakter bis zum Anbruch der Neuzeit prägen. Diese Bindungen waren oft stärker als die Einflüsse der benachbarten byzantinischen Kunst, so daß die mit der Verbreitung der orthodoxen christlichen Lehre verbundene Expansion der Kunst Konstantinopels häufig auf den Widerstand der stark ausgeprägten frühchristlichen und antiken Lokaltradition stieß. Die ständige Auseinandersetzung der bulgarischen Künstler mit den Problemen der Rezeption ihres kulturellen Erbes und der Übernahme einer hierher verpflanzten Formensprache brachte die eigenartige und unverkennbare Gestalt der bulgarischen mittelalterlichen Kunst hervor, die sich durch Mannigfaltigkeit an Formen und Typen von der Kunst anderer christlich-orthodoxer Länder unterscheidet. Die kunstgeschichtliche Untersuchung wird hier bis zum Ende des 18. Jahrhunderts geführt. Zusammen mit der fortschreitenden Verweltlichung der christlichen Kunst treten zu dieser Zeit neue, besondere Erscheinungen in den Vordergrund, die über den Rahmen dieser Darstellung hinausgehen; die lokale und allgemeine Bedeutung dieser Entwicklungsperiode hat mit der Geschichte der christlichen Kunst wenig gemein und bedarf einer gesonderten Behandlung.

 

Das Repertoire der Denkmäler wurde durch die in jüngster Zeit gewonnenen Erkenntnisse bestimmt. Ein wesentlicher Teil der Kunstwerke wird hier zum ersten mal abgebildet, viele davon waren bisher nur einem engen Kreis von Forschern bekannt. Dennoch wird trotz der vielen Neuentdeckungen eine fortlaufende Schilderung der Kunstgeschichte Bulgariens äußerst erschwert und in bestimmten Fällen durch Lücken infolge der Zerstörung vieler der bedeutendsten mittelalterlichen Denkmäler kaum möglich. Die Einbeziehung der neuen Kenntnisse brachte zuweilen auch beträchtliche Schwierigkeiten mit sich. Die während der letzten zwei Jahrzehnte von den bulgarischen Archäologen und Restauratoren wiederentdeckten Kunstdenkmäler werden von der Forschung nur zögernd erschlossen und bleiben sowohl der Öffentlichkeit als auch der Fachwelt kaum zugänglich. In den großen Monographien und Gesamtdarstellungen werden sie wenig oder gar nicht berücksichtigt, obgleich ihnen oft eine ausschlaggebende Rolle in der Kunstgeschichte Südosteuropas zukommt. Ihre Behandlung hier geht manchmal den Einzelpublikationen voraus - ein in der Wissenschaft sonst nicht ü...her Vorgang. In Anbetracht der Aufgabe, alle bis zum Redaktionsschluß des Buches - Ende Mai 1977 - gewonnenen Erkenntnisse einzubeziehen, erschien mir dieses Verfahren jedoch durchaus berechtigt und für eine Darstellung des gegenwärtigen Forschungsstandes erforderlich.

 

Um eine einheitliche Terminologie zu erzielen, wurde hier für die Fachbegriffe die geläufige griechische oder deutsche Bezeichnung verwendet und auf die slawisch-bulgarische bis auf Einzelfälle verzichtet. Am Ende des Buches findet sich eine Erklärung der wichtigsten Fachbegriffe. Für die Namen der Heiligen wurde weitgehend die griechische Form gewählt. Die slawischen und griechischen geographischen und Personennamen wurden nach den gültigen Regeln transkribiert.

 

Die technischen Angaben zu den einzelnen Kunstwerken wurden überprüft und entsprechen dem gegenwärtigen Zustand; dasselbe gilt auch für den größten Teil der übernommenen Architekturzeichnungen und Grundrisse, die ebenfalls - soweit es der jetzige Zustand der Denkmäler zuläßt - überprüft und korrigiert wurden. Die einheitliche Wiedergabe ist der vorzüglichen Arbeit von H.-U. Herold zu verdanken, der sämtliche Zeichnungen eigens für das Buch angefertigt hat.

 

Die meisten Fotoaufnahmen wurden von mir in den letzten drei Jahren hergestellt; nur in seltenen Fällen werden hier meine älteren Aufnahmen oder Archivfotos von Denkmälern gezeigt, deren gegenwärtiger Zustand spürbar beeinträchtigt oder deren Fotografieren besonders erschwert ist. Ich möchte allen Kollegen und Freunden danken, die es mir durch ihre Archivfotos ermöglichten, einige wesentliche Lücken bei den Abbildungen zu schließen.

 

Berlin, im Juni 1977

Assen Tschilingirov

 

[Next]

[Back to Index]